#rp13: Leidenschaft als Hausaufgabe

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Man solle die Menschen nicht nach ihrer Hautfarbe oder Religion, ihrem Geschlecht oder ihrer Herkunft beurteilen. Einzig ihre Leidenschaft für das, was sie tun, solle ausschlaggebend sein. – Das ist die Quintessenz einer von vielen Sessions, die auf der diesjährigen re:publica stattfand. Und Leidenschaft ist es auch, die die Berliner Station zu einem Bienenstock werden lässt.

Überall schwirrt, summt und brummt es durch über 5.000 Teilnehmer, die auf drei Tage verteilt zusammenkommen, reden, lachen, planen, einander herzen, sich freuen und ihren Emotionen und Ideen freien Lauf lassen. Es ist – wie jedes Jahr – eine wundervolle Stimmung, die mich vergessen lässt, dass es sich hier um eine „Konferenz“ handelt, auch wenn es sich wie ein Festival anfühlt.

Zwischen Pausenhof-Kings und Nichtverstehern

Ja, die re:publica ist ein Klassentreffen. Sie ist das Highlight jener, die das Netz bevölkern, damit ihren Lebensunterhalt verdienen (oder es gerne täten) oder in einer anderen Form daraus Inspiration und Kraft ziehen. Ich liebe diese drei Tage genau für diesen Vibe und Drive. Jedes Gespräch kann eine Dynamik entwickeln, die mich denken lässt, ich könne heute noch die Welt verändern.

Doch ein Klassentreffen schließt auch immer Leute aus. Die, die keinen Bezug zur „Schule Web“ haben. Die sich nicht in den Kursen „Digitale Gesellschaft in 140 Zeichen“ und „Facebook’sche Ökonomie“ eingeschrieben haben, um die bloggenden Nerds und YouTube-Channel bespielenden Pausenhof-Kings zu verstehen.

Sie sind es, die nicht realisieren, dass die Zukunft des Netzes heute geschaffen wird. Die unsere Erregung über die Drosselpläne nicht verstehen, weil ihnen das Bewusstsein dafür fehlt, was es bedeutet, wenn man nur noch ein paar kbit zur Verfügung hat. Weil ihnen Online-Banking, E-Mail, Amazon und ein paar YouTube-Clips reichen, um zu denken, im Netz sei alles in Ordnung. Die Liste ist lang und ließe sich problemlos fortsetzen.

Woran es krankt? Unsere Themen sind nicht ihre Themen

Wir haben uns schon einmal vom bekanntesten Irokesen im Netz beschimpfen lassen, dass wir es nicht hinbekommen, uns und unsere Themen in der Gesellschaft und Öffentlichkeit zu verankern. Und wir schaffen es, so wie es aussieht, wieder nicht. Netzpolitische Themen stehen (gefühlt) auf der Agenda der Parteien, weil es cool klingt, ohne zu erklären, was von ihnen gemeint ist. Netzpolitik ist weniger „Netz“ und weitaus mehr „Politik“, als wir wahr haben wollen.

Ich müsste mich an der eigenen Nase packen, wenn ich mich genau darüber beschwere, da ich mich nicht in einer entsprechenden Form engagiere, um etwas daran zu ändern. Ich versuche mich lieber an anderen Fronten, um Skepsis und Argwohn abzubauen, damit sich alle, die keine solchen Exoten, wie wir es sind, unseren Themen annähern können. Stundenlang könnte ich darüber reden. Voller Inbrunst. Voller Hingabe.

Doch es bleibt oftmals einfach zu abstrakt, was uns bewegt. Wir können unsere Leidenschaft, das, wofür wir brennen, nicht verständlich verpacken, weil man es erleben muss, um es zu verstehen.

Meine Hausaufgabe: Leidenschaft muss Verständnis entfachen

So feiere ich es schon als Erfolg, dass ich in den letzten zwei Wochen drei Leute zum Twittern bringen konnte und sie immer noch am Ball sind. Ich freue mich riesig, dass mit meinen Wirken vier Leute ihre erste re:publica besuchen und begeistert sind, weil sie zu verstehen beginnen, was diese drei Tage und „das Netz“ überhaupt bedeutet. Diese kleinen Schritte werden meine Welt sicher nicht verändern. Aber vielleicht tut sich bei jenen, die ich beeinflussen konnte, etwas. Es wäre wundervoll.

Wenn sie sich dann in ein paar Wochen, Monaten oder Jahren zurückerinnern, dann wird vielleicht vergessen sein, wie ich an diesem Maitag 2013 aussah und was ich tat, aber sie werden sich an meine Leidenschaft erinnern, die sie an diesen Punkt brachte.

Und dann habe ich meine Hausaufgaben gemacht und kann mich ruhigen Gewissens auf das nächste Klassentreffen freuen.

Foto via instagram.com/danielrehn_

5 Kommentare

  1. christinah84 · · Antworten

    Mangelnde Leidenschaft ist meiner Meinung nach kaum das Problem. Viel mehr liegt unser Problem darin, dass seit Jahren immer wieder die gleichen Köpfe mit den gleichen Parolen durch die Weltgeschichte ziehen und dem ’normalen‘ Nutzer schon vorab dadurch jedes Interesse an unserer spannenden neuen Welt nehmen. Genau jene Köpfe vertreten lautstark ihre eigenen Interessen und die reichen von hemmungsloser Selbstvermarktung bis zu politisch motiviertem Stimmenfang, haben aber nur wenig mit der Vermittlung von Leidenschaft zu tun. Die Tatsache, dass eine große deutsche Boulevardzeitung in regelmäßigen Abständen das Wort Facebook in ihre Schlagzeilen einbaut hilft auch nicht dabei die Aufmerksamkeit der Nutzer weg von den Schreihälsen und hin zu den begeisterten, leidenschaftlichen und innovativen Netzmenschen zu lenken. Was wir wirklich brauchen ist ein Wechsel. Wir müssen dafür sorgen, dass die Selbstvermarkter und Redenschwinger keinen Boden (oder kein Podium) mehr unter die Füße bekommen und stattdessen denen das Feld überlassen, die mit Herzblut hinter ihrer Sache stehen und nicht bloß eine eigene Agenda verfolgen.

  2. Lieber Daniel,

    danke für die Schilderung der Impressionen, für Leute wie mich, die nicht teilnehmen können. Ich stimme deiner Zusammenfassung zu, dass es „uns“ an Transportwegen außerhalb unserer Gruppe mangelt. Jeder für sich, jeder auf seine Weise. Der erste Schritt ist nun einmal sich dessen bewusst zu werden. Der Rest wird kommen.

    Liebe Grüße,
    Kai

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  4. […] #rp13: Leidenschaft als Hausaufgabe Social-Media-Recht: Was du darfst und was nicht [#rp13] […]

  5. […] die Nicht-Netzgemeinde in die Netzgemeinde hereinholen. Daniel Rehn hat das sehr schön als “Leidenschaft als Hausaufgabe” formuliert. Den “Leuten da draußen” klar machen, was es heißt, in den […]

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